Bericht: Landratsamt Cham / Bild: Christa Robl-Dachs

Cham.  Die Auswirkungen des coronabedingten Lockdowns – vor allem auf die Gastronomie – stellt die Jäger vor besondere Herausforderungen. „Wohin mit dem Wildbret?“ fragen sich viele Weidleute, seit zum 1. Mai die Jagd auf Rehböcke und Schmalrehe wieder freigegeben ist. Weil auch die Abschusspläne zu erfüllen sind, befinden sich viele Jägerinnen und Jäger in einer Zwickmühle.

Normalerweise werde ein beträchtlicher Anteil des erlegten Wildes von Restaurants und Gaststätten abgenommen, sagt Isabel Koch, Sprecherin des Bayerischen Jagdverbandes (BJV). Weil aber bereits im Jahr 2020 weite Teile der Gastronomie und viele Hotels zeitweise geschlossen bleiben mussten, ist ein „Wildbretberg“ vorhanden, der nur durch eine entsprechend intensive Vermarktung abgetragen werden kann.

Der Appell der BJV-Kreisgruppen im Landkreis Cham, des Bayerischen Bauernverbandes als Partner der Jäger und des Wildhandels zielt darauf ab, die günstigen Angebote zu nutzen und hochwertiges Fleisch von natürlich aufgewachsenen Tieren verstärkt zu konsumieren. Dabei kommt der regionalen Vermarktung besondere Bedeutung zu, denn Wildfleisch aus Supermärkten, die vom Feldhasen aus Argentinien bis zum Hirschgulasch aus neuseeländischen Farm-Massentierhaltungen reichen, haben mit Wildbret aus Bayerwald-Revieren nur den Namen gemeinsam.

Im Landkreis Cham hat die Vermarktung regional erzeugter bzw. gewonnener Produkte seit Jahren große und stets zunehmende Bedeutung. Landrat Franz Löffler ist dies ein großes Anliegen. Deshalb unterstützt er die Regionalvermarktung im Landkreis gezielt durch ein vom Bundesheimatministerium gefördertes Regionalvermarktungsprojekt. Lokale Akteure aus Landwirtschaft, Verarbeitung und Gastronomie beteiligen sich, um das Ziel, die Erhöhung des Selbstversorgungsgrades an regionalen Lebensmitteln zu erreichen.

Nach Überzeugung vieler Jäger und Wildhändler wie Andrea Habermann vom Wildhandel Weber in Kothmaißling werden die kulinarischen Ressourcen, die Wildbret aus heimischer Wildbahn bietet, bislang unzureichend genutzt. Die Rehkeule mit Serviettenknödeln und Blaukraut, das Filet aus dem Hirschrücken, oder das Wildgulasch sind bei weitem nicht alle Köstlichkeiten, die frisch erlegtes Wild zu bieten hat. Selbst die Koteletts vom Wildschwein – das selbstverständlich grundsätzlich auf radioaktive Belastung untersucht wird – sind nur ein kleiner Teil des Angebots.

Gerade in der beginnenden Grillsaison kann Wild punkten, als Kurzgebratenes vom Grill, als Wildburger nach eigenem Geschmack zusammengestellt, aber auch als Gyros oder sogenanntes „Pulled Deer“, also „zerrissenes Hirschfleisch“, stellt es eine Herausforderung für Hobbyköche und Grillmeister dar und eignet sich für sensationelle Geschmackserlebnisse. Passende Rezepte sind sowohl unter der Internetadresse der BJV-Geschäftsstelle in Feldkirchen oder direkt unter https://www.wildbret-bayern.de/tipps-fuer-moderne-wildkueche/ als auch bei den Vorsitzenden der BJV-Kreisgruppen im Landkreis Cham zu erhalten.

Das Argument „Ein ganzes Reh für die Gefriertruhe ist mir zu viel“ hören Jäger oft. Bei einer fachgerechten Zerlegung durch einen Metzger bleiben aber davon in der Regel nur zehn bis zwölf Kilogramm Fleisch übrig und es ist zu bedenken, dass ein ganzes Reh in der Decke (mit Fell) für 50 bis 80 Euro – je nach Gewicht ohne Innereien – vom Jäger erworben werden kann.

“Ein Wildtier zu erlegen und dann einfach zu entsorgen, kommt für uns Jäger keinesfalls in Frage“, sagt Isabel Koch. Schon im vergangenen Jahr hätten sich Jäger vielerorts zusammengeschlossen, um das Fleisch oder daraus hergestellte Ware direkt an die Konsumenten zu bringen. Stücke, die nicht sofort verkauft werden können, werden auch tiefgekühlt nach Bedarf abgegeben.

 

„Ich habe das Lager voll mit Rehkeulen und Rehrücken“, sagt Andrea Habermann vom Wildverarbeitungsbetrieb Weber in Kothmaißling. „Nix geht“, habe sie schon 2020 festgestellt, weil die Gastronomie wegen der coronabedingten Schließung nichts einkaufte. „Ich hoffe, dass es jetzt aufwärts geht“, merkt sie im Hinblick auf sinkende Inzidenzzahlen an, die „Licht am Ende des Tunnels“ verheißen, wenn die Gastronomie wieder in Schwung kommt. Trotz voller Lager kauft Andrea Habermann von den Jägern Wildbret an, „sogar für einen Euro mehr pro Kilo, als letztes Jahr gezahlt wurde“, sagt sie und verweist darauf, dass jedes Stück veterinärmedizinisch untersucht ist. „Es gibt kein gesünderes Fleisch als Wildbret“, ist die Unternehmerin überzeugt, cholesterinarm, fettarm, ohne Antibiotika, einfach von natürlich aufgewachsenen Tieren, die ohne Transportstress durch einen Schuss binnen Sekunden getötet werden.

„Wir wollen die Jäger unterstützen“, sagt Franz Kerscher, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes im Landkreis Cham. Mit dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften im Bayerischen Bauernverband, Stefan Graf, ist er sich einig, dass Jagdgenossen verstärkt Wildbret von Jägern aus den Heimatrevieren kaufen sollten. Wegen der drohenden Ausbreitung der afrikanischen Schweinepest komme auch der Jagd auf Wildschweine verstärkt Bedeutung zu. Das cholesterinarme Wildbret von Sauen aus der freien Natur werde sehr günstig angeboten und sei selbstverständlich auf Trichinen und radioaktive Belastung von Veterinären untersucht.

Die Jäger hätten als Revierpächter auch den Auftrag, den Abschussplan zu erfüllen, das könnten sie aber nur schaffen, wenn Landwirte verstärkt das Fleisch aus freier Wildbahn nutzen. „Statt dem Schweinern mal ein Stück Wildfleisch vom Reh oder einem Überläufer“, das wäre die Empfehlung des Bayerischen Bauernverbandes, sagt Franz Kerscher. Er würde sich auch mehr Metzgereien wünschen, die zusätzlich zu ihrem sonstigen Angebot Wild verkaufen.

Auch Landrat Franz Löffler kennt die großen Herausforderungen, denen sich die Jägerschaft zu stellen hat sehr gut. Allen voran die im Zuge des notwendigen Waldumbaus vom Jäger zu erfüllenden behördlichen Abschusspläne beim Rehwild. Zudem bejagen die Jägerinnen und Jäger im Landkreis Cham das Schwarzwild umfassend und effektiv und leisten mit der Reduktion der Schwarzwildbestände einen wichtigen Beitrag, um einen Eintrag der Afrikanischen Schweinepest zu verhindern. Landrat Löffler wurde im letzten Jahr oftmals von Jägern auf die coronabedingten Schwierigkeiten beim Wildbretabsatz angesprochen. Er begrüßt deshalb die gemeinsame Initiative von der Jägerschaft, dem Bayerischen Bauernverband mit der Arge Jagdgenossenschaften und dem örtlichen Wildbrethandel außerordentlich und sagt seine Unterstützung zu. Denn auch er schätzt das Wildbret aus der Heimat als hochwertiges Bio-Lebensmittel.

Das Veterinäramt am Landratsamt Cham informiert interessierte Jägerinnen und Jäger gerne über die lebensmittelrechtlichen Vorgaben und die sachlichen und fachlichen Voraussetzungen zur Einrichtung und Registrierung von Wildkammern und auch über die verschiedenen Vermarktungsmöglichkeiten von Wildfleisch und Wildfleischprodukten. Insbesondere die Bedingungen und Möglichkeiten zur Abgabe von zerlegtem, „küchenfertigen“ Wildfleisch und Wildfleischprodukten, z.B. Wildsalami können dabei im Detail besprochen werden.