Neustadt/WN-Irchenrieth. Was lange währt, wird endlich gut – die Entscheidung ist gefallen. Und es ist eine für das Heilpädagogische Zentrum (HPZ) Irchenrieth, für den Bezirk Oberpfalz, für den Landkreis und die Stadt Neustadt/WN positive: Inklusion wird mit einem in der Region einmaligen Projekt Wirklichkeit. Denn das HPZ schafft im ehemaligen „Hotel am Hofgarten“ 24 neue Wohnplätze für Erwachsene mit Handicap, die einen nicht allzu hohen Betreuungsbedarf haben, selbstständig einen Haushalt führen können und in den HPZ-Werkstätten arbeiten.

Die komplexen und intensiven Gespräche in den letzten Monaten waren erfolgreich. „Wir beginnen demnächst mit dem Umbau“, sagte am Montagmittag stellvertretende Vorstandsvorsitzende Brigitte Krause bei einer Pressekonferenz mit dem oberpfälzer Bezirkstagspräsidenten Franz Löffler und dem Neustädter Landrat Andreas Meier. Die aktuell kalkulierten und geplanten Kosten, inklusive Kaufpreis, bezifferte sie dabei auf rund vier Millionen Euro.


Krause, die den erkrankten HPZ-Vorstandsvorsitzenden Christian Stadler entschuldigen musste, begrüßte im „Hotel am Hofgarten“ einleitend neben Löffler und Meier auch Vize-Bezirkstagspräsidenten Lothar Höher, Dr. Benedikt Schreiner (Leiter der Bezirkssozialverwaltung), Neustadts Bürgermeister Sebastian Dippold, die HPZ-Aufsichtsratsvorsitzenden Birgit Reil und Daisy Brenner sowie HPZ-Vorstandsmitglied Claudia Prommersberger.  „Es ist geschafft“, sagte Krause dabei sichtlich zufrieden.

Das Ende 2018 vom HPZ erworbene „Hotel am Hofgarten“ werde künftig eine neue Heimat für 24 HPZ-Bewohner. Man schaffe somit ein zentrumsnahes Wohnangebot für Menschen mit geistiger Behinderung, das dem Anspruch des Inklusionsgedankens in idealer Weise Rechnung trage.

Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende weiter: „Dies soll und muss für unser Unternehmen ein Startschuss sein für weitere Investitionen. Denn wir müssen zum einen Wohnplätze schaffen, um dringend anstehende Sanierungen am Standort in Irchenrieth vornehmen zu können. Aber ebenso müssen wir auch der hohen Nachfrage an der Schaffung zusätzlicher Wohnplätze gerecht werden.“

Dies sei ein Wunsch der Mitglieder, Eltern und Angehörigen, welche kurz- und mittelfristig einen Wohnplatz für ihre Kinder, bzw. Angehörigen, suchen. „Wir sehen es als unsere Verpflichtung an, diese Wünsche zu erfüllen, denn viele Menschen mit Behinderungen werden von uns seit vielen Jahren betreut.  Wir müssen und wollen ihre Heimat sein“, so Krause weiter.

Inklusion, Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, werde vom HPZ gefordert und gefördert. Man habe jedoch beim Projekt „Hotel am Hofgarten“ gesehen, dass an den gesetzlichen Rahmenbedingungen etwas verändert werden müsse. Krause nannte hier vor allem die „Bayerische Verordnung zur Ausführung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes“, kurz AVPfleWoqG, welche sich sehr, z. B. bei den baulichen Anforderungen, starr an einem Pflegeheim orientiere.

Konkret nannte sie das Beispiel, dass Menschen mit Behinderungen nicht grundsätzlich im Rollstuhl sitzen, bzw. grundsätzlich körperliche Einschränkungen haben, müssten. Daher sei für den Umbau des Hotels die Barrierefreiheit nach Meinung des HPZ kein unbedingtes Muss. Es würden aber grundsätzlich die Anforderungen der AVPflewoqG gelten, wobei Ausnahmen beantragt werden könnten. Diese müssten aber ausführlich begründet werden. Dies und die Prüfung dauere sehr lange, erklärte Krause.

Große Unterstützung habe das HPZ in den letzten Monaten von Landrat Meier und dem Landkreis Neustadt/WN als Heimaufsichtsbehörde erhalten, welche sich federführend eingesetzt hat, Lösungswege zu finden. „Sie hatten Verständnis für unsere Probleme und haben zusammen mit der Heimaufsicht immer gemeinsam mit uns versucht, einen Weg zu finden, das Projekt zu verwirklichen“, führte Krause aus.

Auch wenn der Vorgang – es mussten, wie erwähnt, viele Anträge auf Ausnahmegenehmigungen gestellt werden – sehr viel Zeit gekostet habe, könne man gemeinsam stolz darauf zurück blicken, was man erreicht habe. Ebenso dankte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende daher dem Kostenträger, den Bezirk Oberpfalz („Der immer ein offenes Ohr für die HPZ-Anliegen hat“), mit Bezirkstagspräsidenten Löffler und seinem Stellvertreter Höher an der Spitze, sowie Dr. Schreiner als Leiter der Bezirkssozialverwaltung für die Unterstützung.

„Wir haben hier immer offene Türen vorgefunden. Sie haben uns von Anfang an signalisiert: Wir wollen dieses Projekt, es muss sich aber verständlicherweise auch in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen bewegen“, so Krause. Deren weiterer Dank galt Neustadts Bürgermeister Dippold, der das HPZ mit offenen Armen Unterstützung zugesagt habe. „Sie dürfen jetzt mit offenen Armen 24 neue Bewohner begrüßen, die sich sehr auf die Stadt Neustadt/WN, den Bäcker, den Sportverein oder auch auf den Zoigl freuen.“

Zum exakten zeitlichen Ablauf des Umbaus erklärte Krause weiter, dass der Startschuss mit den internen Planungen oder den Ausschreibungen der Gewerke etc. unmittelbar nach der Pressekonferenz fallen werde. Einen genauen Zeitplan angesichts der aktuellen Situation mit Corona und dem Ukraine-Krieg und deren Auswirkungen zu nennen, sei jedoch schwierig. Aber das HPZ werde sich umgehend an die Arbeit machen.

Zudem plane das HPZ, in der Region ein weiteres Gebäude mit ebenfalls 24 Wohnplätzen zu errichten. Dieses soll über eine Fördermaßnahme beantragt werden. Vorgespräche seien geführt worden. Mit dem nun erhaltenen grünen Licht für das „Hofgarten“-Projekt werde man dann den nächsten Schritt gehen.

Bezirkstagspräsident Löffler sagte, dass das HPZ-Projekt ein „sehr gutes Beispiel eines Weges ist, um Inklusion perfekt umzusetzen“. Ganz wichtig dabei sei, dass die künftigen Bewohner*innen wohnort- und heimatnah untergebracht seien. Auch das sei beim Inklusionsgedanken ein nicht zu unterschätzender Faktor: „Hier werden Wohnplätze in Mitten der Gesellschaft geschaffen, wodurch die Oberpfalz wieder ein großes Stück inklusiver wird“ – auch wenn gerade bei Bestandbauten die Anforderungen der AVPflewoqG nicht einfach seien. „Das HPZ und der Landkreis haben in Sachen Gestaltungsmöglichkeiten aber ein gutes Händchen bewiesen“, so Löffler.

Der Neustädter Landrat Meier habe sich eigener Aussage nach „auf den heutigen Tag gefreut“. Zum einen seien so nun die zuletzt aufkeimenden Gerüchte entschärft worden. Zum anderen habe man gemeinsam darauf hingearbeitet, das „Hofgarten“-Projekt umzusetzen. Dabei seien trotz der vorhandenen Reglementierungen diese „mutig und kreativ“ ausgereizt worden, weshalb sein Dank auch seinen Landratsamtsmitarbeiten galt. Meier wünschte dem HPZ für den anstehenden Zielspurt viel Durchhaltevermögen.

Für Neustadts Bürgermeister Dippold ist das HPZ-Engagement ein Paradebeispiel „doppelt gelebter Inklusion“. Denn seine Stadt würde nicht nur 24 neue Mitbürger erhalten, sondern auch der lange Leerstand des „Hotels am Hofgarten“ sei damit beseitigt.

Das Wohnprojekt „Hotel am Hofgarten“ im Überblick:

  • Wohnform: Gemeinschaftliches Wohnen
  • Zielgruppe: Erwachsene Personen mit geistiger Behinderung, welche in der Lage sind, ihr Leben mit hoher Eigenständigkeit zu gestalten.
  • Wohnraum: 24 Wohnplätze
  • Ziel: Mit dem Standort im ehemaligen „Hotel am Hofgarten“ in Neustadt/WN schafft das HPZ Irchenrieth ein zentrumsnahes Wohnangebot für Menschen mit geistiger Behinderung, das dem Anspruch des Inklusionsgedankens Rechnung trägt. Die zentrale Lage des Hauses bietet den Bewohner*innen ideale Voraussetzungen für eine uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Einkaufsmöglichkeiten sowie diverse Sport- und Freizeitangebote.
  • Investitionssumme: ca. 4 Millionen Euro (inkl. Kaufpreis)
  • Zeitlicher Ablauf: Dezember 2018: Erwerb der Immobilie; Dezember 2021: Genehmigung Heimaufsicht unter Berücksichtigung der baulichen Anforderungen nach AVPfeWoq; Februar 2022: Genehmigung zur Refinanzierung durch den Bezirk Oberpfalz

(Bericht und Bild: Stephan Landgraf)