Neumarkt. Im Juni 2022 ist die Chirurgische Klinik (Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie) am Klinikum Neumarkt zum „Referenzzentrum für minimalinvasive Chirurgie“ durch die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie rezertifiziert und vom „Kompetenzzentrum“ auf die nächste Qualitätsstufe eines „Referenzzentrums“ angehoben worden. Lediglich 18 solcher Referenzzentren gibt es bundesweit, das Klinikum Neumarkt ist das einzige in Nordbayern.
Seit der Übernahme der Abteilung durch Prof. Dr. med. Bettina M. Rau im Januar 2017 wurde der Anteil der minimalinvasiven Eingriffe, der sog. „Schlüsselloch-Chirurgie“, deutlich ausgebaut. Neben der kleinen Chirurgie bei Leistenhernien, Gallensteinen und Blinddarmentzündungen werden seither gut- und bösartige Erkrankungen des gesamten Dickdarmes (Colon- und Rectumkarzinome) sowie des Magens und der Speiseröhre – wenn immer möglich – in minimalinvasiver Technik operiert.
Auch limitierte Operationen an der Leber und der linksseitigen Bauchspeicheldrüse werden routinemäßig in dieser Technik durchgeführt. Im Juli 2019 wurde die Abteilung erstmals zum „Kompetenzzentrum für minimalinvasive Chirurgie“ zertifiziert. In den folgenden Jahren wurde das Spektrum der minimalinvasiven OP-Techniken kontinuierlich erweitert. Seit Januar 2022 wurde die roboter-assistierte minimalinvasive Chirurgie mit einem DaVinci System etabliert, das Team der minimalinvasiven Operateure wurde durch Dr. med. Raphael Winkels, einem erfahrenen robotischen Chirurgen, auf Oberarztebene erweitert. Mittlerweile wurden bereits 100 allgemein- und viszeralchirurgische Eingriffe erfolgreich mit dem DaVinci Roboter durchgeführt, neue minimalinvasive OP-Techniken, wie die Versorgung von Bauchwandbrüchen als sog. e-TEP, ergänzen das Repertoire der angebotenen Operationen.
Bereits die Zertifizierung zum „Kompetenzzentrum für minimalinvasive Chirurgie“ unterliegt strengen Qualitätskriterien, die sich an der Menge und dem Ergebnis der durchgeführten Operationen orientiert. Die Einstufung als Referenzzentrum unterliegt deutlich höheren Anforderungen, die neben einer höheren Anzahl und einem höheren Schweregrad der minimalinvasiv durchgeführten Eingriffe auch weitere Aspekte wie die regelmäßige Teilnahme an wissenschaftlichen Kongressen, Organisation von eigenen Fortbildungsveranstaltungen und Publikationen miteinschließt. Aktuell werden 80%-90% der geplanten Operationen am Dickdarm und 70% der Operationen an Magen und Speiseröhre in Neumarkt minimalinvasiv operiert, auch Wiederholungseingriffe an offen voroperierten Patienten lassen sich in über der Hälfte der Fälle in konventioneller oder robotischer minimalinvasiver Technik versorgen.
Im Rahmen des Zertifizierungsaudits hat die Abteilung sämtlichen Anforderungen hinsichtlich Menge und Ergebnisqualität der durchgeführten Operationen, Weiterbildungen, eigenen Fortbildungsveranstaltungen, wissenschaftlichen Publikationen, technischer Ausstattung der OP-Säle sowie interdisziplinärer Zusammenarbeit mit den Nachbardisziplinen vollumfänglich entsprochen.
Ein weiteres „Highlight“ des Audits waren für die Auditoren die Anfang Juli neu in Betrieb genommenen voll integrierten MIC-OP-Säle, die mit der neuesten minimalinvasiven Gerätetechnik mit 3D und 4K Monitoren sowie digitaler Bildspeicherung und modernem Design ausgestattet sind.
Das Team der zertifizierten Hauptoperateure setzt sich aus Chefärztin Prof. Dr. Bettina Rau, Oberärztin Dr. Julia Gumpp und den Oberärzten Dr. Raphael Winkels sowie Wladimir Patalakh zusammen, die bei allen komplexeren minimalinvasiven Eingriffen als Operateure oder als Assistenz anwesend sind. „Regelmäßige Fort- und Weiterbildungen in laparoskopischen OP-Techniken sind in der Abteilung für alle Mitarbeiter/-innen fest eingeplant.
Seit Mai 2019 steht uns ein eigener Laparoskopietrainer zur Verfügung, an dem unsere Assistenzärztinnen und –ärzte die Basistechniken der minimalinvasiven Chirurgie üben können, bevor es im richtigen OP an den Patienten geht. Zudem verfügt das Klinikum über eine sog. „Dualkonsole“ des DaVinci OP-Roboters, an der sich die Ausbildung jüngerer Kolleginnen und Kollegen strukturiert und mit hoher Patientensicherheit durchführen lässt,“ berichtet Frau Prof. Rau.
Der Vorteil der minimalinvasiven Chirurgie ist bei vielen Erkrankungen eindeutig belegt, hier sind v.a. ein geringerer Blutverlust, geringere postoperative Schmerzen und Wundinfektionen sowie eine kürzere Erholungszeit nach dem Eingriff zu nennen. Auch bei Krebserkrankungen konnte die Gleichwertigkeit der offenen gegenüber der minimalinvasiven Chirurgie für Darm-, Magen- und Speiseröhreneingriffe gezeigt werden. Dennoch liegt der Anteil der Schlüsselloch-Chirurgie in Deutschland gegenüber europäischen Nachbarländern, den USA oder Asien prozentual noch weit zurück.
„Es ist weiterhin unser Ziel, die minimalinvasive Chirurgie in Neumarkt deutlich über den Bundesdurchschnitt anzuheben, was uns sehr gut gelungen ist. Ohne die maximale Unterstützung meines gesamten Teams auf ärztlicher als auch auf pflegerischer Seite und unseres Klinikvorstands hinsichtlich der Anschaffung des teuren Equipments, wäre das nicht möglich gewesen. Wir arbeiten weiterhin gemeinsam daran, dieses Segment zukünftig auszubauen“ so Frau Prof. Rau. Obwohl heute rein technisch nur wenige Grenzen für die minimalinvasive Chirurgie bestehen, eignet sich nicht jedes Krankheitsbild und jeder Patient für diese Art des Eingriffs. Daher ist es unumgänglich, mit jedem Patienten die genaue OP-Technik individuell festzulegen und zu besprechen. Auch heute noch existieren eine ganze Reihe von Operationen, bei denen ein offenes Vorgehen eindeutig die bessere Wahl darstellt. „Das ist unsere spezielle Kompetenz und Verpflichtung zugleich: dies zu wissen, zu entscheiden und dem Patienten auf verständliche Art und Weise nahezubringen“ kommentiert Frau Prof. Rau.
(Bericht und Bild: Klinikum Neumarkt)