Bericht: Bundesministerium der Verteidigung / Bild: Bundeswehr/Sebastian Wilke
Beim ersten persönlichen Treffen zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Lloyd J. Austin geht es um aktuelle Herausforderungen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Schwerpunkte sind das transatlantische Verhältnis, die Rolle der NATO, das Engagement im Indo-Pazifik, der Russland-Ukraine-Konflikt sowie gemeinsame Einsätze.
In freundschaftlicher Atmosphäre hat das erste Treffen zwischen der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihrem amerikanischen Amtskollegen Lloyd J. Austin stattgefunden. Der Heeresgeneral a. D. kam als erstes Mitglied der neuen Biden-Regierung zu einem persönlichen Gespräch nach Deutschland.
Es diente der Kursbestimmung der neuen US-Administration und der Besprechung einer neuen transatlantischen Agenda im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Beide betonten die lange Freundschaft und Partnerschaft zwischen Deutschland und den USA. In vielen Einsätzen stehen deutsche und amerikanische Soldatinnen und Soldaten Seite an Seite.
„Starke Europäer machen die NATO stark“
Kramp-Karrenbauer begrüßte den Neustart der transatlantischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die aktuellen Herausforderungen bedingten mehr denn je einen gemeinsamen Schulterschluss. Deutschland sei sich der zentralen Rolle bei der zukünftigen Ausrichtung der NATO bewusst. Ziel sei es, die Handlungsfähigkeit der EU in Ergänzung zur NATO zu stärken.
Dazu sollen das Strategische Konzept der NATO und der Strategische Kompass der EU in Einklang gebracht werden. Beides seien Bestandteile der sicherheitspolitischen DNA der Zukunft. Auch Austin erklärte, die USA seien bereit, sehr eng mit Europa zusammenarbeiten. Amerika bleibe zu 100 Prozent in der NATO engagiert.
Mehr US-Soldaten in Deutschland
„Den Vereinigten Staaten gilt mein besonderer Dank für ihre unverzichtbaren Beiträge zur Sicherheit in Europa und im gesamten atlantischen Raum“, betonte die deutsche Verteidigungsministerin gegenüber ihrem amerikanischen Amtskollegen. Die US-Präsenz in Deutschland und Europa sei ein entscheidender Pfeiler, auf dem Freiheit und Frieden vor Ort ruhten.
„Besonders freut mich dabei auch die Absicht meines US-Amtskollegen, die US-Kräfte in Deutschland nicht weiter zu reduzieren, sondern sogar noch um etwa 500 zusätzliche Kräfte zu erhöhen“, hob Kramp-Karrenbauer hervor. Die US-Soldaten sind für das US European Command eingeplant. Dies verdeutliche die Bedeutung des Standortes und Stationierungsortes Deutschland, aber auch die gegenseitige Wertschätzung.
Deutschland steht zu NATO-Planungszielen
„Wir investieren gezielt und bieten auch unsere Fähigkeiten an“, so die Ministerin. Eine starke NATO diene Deutschlands Sicherheit und eigenem Interesse. Nicht zuletzt deshalb stehe Deutschland fest zum Zwei-Prozent-Ziel. Deutschland habe seine Verteidigungsausgaben seit 2014 um etwa 57 Prozent erhöht.
Die Einsatzbereitschaft der deutschen Streitkräfte werde sich in zentraler Rolle bei der Führung der VJTFVery High Readiness Joint Task Force 2023 – der schnellen Eingreiftruppe der NATO – mit modernen und agilen Task Forces in Brigadestärke erneut zeigen. Bis 2031 würden darüber hinaus drei komplett ausgestattete, einsatzbereite Divisionen des Heeres in Bereitschaft stehen.
Russland-Ukraine-Konflikt und die euro-atlantische Sicherheitsarchitektur
Die beiden Verteidigungsminister waren sich einig, dass man angesichts der aktuellen russischen Übungsaktivitäten und Truppenbewegungen in der Grenzregion zur Ukraine abgestimmt und gemeinsam vorgehen wolle. „Wir sind uns sehr einig: die NATO muss hier besonders wachsam sein und entschlossen und eng abgestimmt auf die Entwicklungen reagieren. Wir bleiben dazu in sehr engem Austausch“, erklärte Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer. Alle Akteure müssten sich klar und unmissverständlich zu den Maßnahmen des Waffenstillstands, zum Festhalten am Minsk-Abkommen sowie zur Arbeit der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Special Monitoring Mission bekennen, forderte Kramp-Karrenbauer. Man teile die Besorgnis der NATO-Partner, sehe aber derzeit keine akute militärische Gefahr. Eine Eskalation solle vermieden werden.
Leitlinien im Indo-Pazifik-Raum
Kramp-Karrenbauer und Austin loteten eine Kooperation in der Indo-Pazifik-Region aus. „Diese Region wird für die internationale Stabilität immer wichtiger“, so Kramp-Karrenbauer. Auch Deutschland habe dort vitale Interessen. Die Entsendung der Fregatte Bayern im zweiten Halbjahr 2021 sei ein Zeichen zur sichtbaren Umsetzung der Indo-Pazifik-Politik der Bundesregierung. Deutschland suche den engen Dialog zu den USA. Zielsetzung sei ein nachhaltiges Engagement über 2021 hinaus. „Wir wollen unseren Wertepartnern vor Ort den Rücken stärken und uns gemeinsam für die Aufrechterhaltung der internationalen regelbasierten Ordnung einsetzen “, hieß das Fazit der Ministerin nach dem Gespräch mit ihrem amerikanischen Amtskollegen.
Gemeinsam gegen Terrorismus
Einen Abzug aus Afghanistan bis zum 30. April 2021 bewerteten die deutsche Verteidigungsministerin und der amerikanische Verteidigungsminister als unrealistisch. Deutschland werde sich eng mit den USA und allen anderen Truppenstellern über das weitere Vorgehen abstimmen. Kramp-Karrenbauer begrüßte die US-Initiative, die neue Dynamik in die stagnierenden Friedensverhandlungen gebracht habe. Man war sich einig, dass der Einsatz in Afghanistan – abhängig von Lage und Bedingungen vor Ort – geordnet und verantwortungsvoll beendet werden solle.
Im Hinblick auf die erhöhte Gefährdungslage in Afghanistan erklärte Kramp-Karrenbauer, Deutschland baue weiterhin auf die die Bereitstellung besonderer militärischer Fähigkeiten durch die USA.
Im Kampf gegen international agierende Terrorstrukturen und Gruppierungen werde Deutschland sich auch weiterhin im Irak bei der Ausbildung der Sicherheitskräfte engagieren, versicherte Kramp-Karrenbauer ihrem Amtskollegen. Austin war zweimal selbst im Irak-Einsatz, zuletzt 2009 als Kommandierender General der Multi-National Force Iraq.
Die Zerschlagung des sogenannten Islamischen Staats (ISIslamischer Staat im Irak und in Syrien), einer Terror-Miliz, sei weiterhin das Ziel. Auch in Bezug auf die Einsätze in der Sahel-Region vertraten beide Verteidigungsminister die Meinung, Rückzugsräume für den globalen Terrorismus müssten geschlossen werden.