Das Jahr 2020 wird auch in der Außenpolitik vor allem durch ein Über-Thema in Erinnerung bleiben: Die Corona-Pandemie. Zum einen hat der Kampf gegen die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen große Teile der (außen-) politischen Kapazitäten in vielen Staaten gebunden. Zum anderen haben sich durch das Virus viele globale Herausforderungen – wie regionale Krisen, Hunger, Armut und Ungleichheit – noch einmal oder wieder verschärft.

Rein digitale Diplomatie ohne den echten Blick in die Augen erschwerte die Lösung von Konflikten und die Suche nach dem Kompromiss zusätzlich. Dennoch hat Deutschland während seiner EU-Ratspräsidentschaft und seiner zweijährigen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat im vergangenen Jahr wichtige Akzente gesetzt und sich vor allen im Konflikt um Libyen und im Nahen und Mittleren Osten erfolgreich um Fortschritte bemüht.


Deutschlands Außenpolitik wird auch im Jahr 2021 vom Kampf gegen das Coronavirus und den Folgen des Virus geprägt sein. Doch auch sonst wird sich in den internationalen Beziehungen viel bewegen: Mit dem Antritt der neuen US-Regierung unter Joe Biden wollen Deutschland und die EU einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen gestalten. Absehbare gemeinsame Themen sind vor allem Multilateralismus, Stärkung der Demokratie, der Umgang mit China und der Kampf gegen den Klimawandel. Das Engagement für die Lösung von Konflikten in Nordafrika sowie im Nahen und Mittleren Osten bleibt weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung.

Europa: Impfstoffverteilung und wirtschaftliche Erholung

Deutschland hat während seiner EU-Ratspräsidentschaft mit dem sog. „Mehrjährigen Finanzrahmen“, also dem EU-Haushalt für mehrere Jahre,  sowie dem Corona-Wiederaufbaufonds eine wichtige Grundlage für wirtschaftliche Erholung und für stärkere Investitionen in den Bereichen Klimaschutz und Digitalisierung vorangebracht. 2021 sollen die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds schnell fließen. Mit der Zulassung von mehreren Impfstoffen durch die EU-Kommission sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Europa die Pandemie auf Dauer hinter sich lassen kann – obwohl Mutationen des Virus weiterhin Anlass zur Sorge bereiten. Alle Impfstoffe wurden in Rekordzeit entwickelt, oftmals unter entscheidender Beteiligung deutscher und europäischer Wissenschaft und Forschung. Die Prüfung und Zulassung weiterer Impfstoffkandidaten und die gerechte Verteilung von Impfstoffen und Solidarität in dieser Hinsicht werden in diesem Jahr die Politik in der EU prägen.

Doch auch Grundsätzliches wird 2021 verhandelt: Bei der „Konferenz zur Zukunft Europas“ sollen Bürgerinnen und Bürger, Zivilgesellschaft und Institutionen miteinander Ideen für die weitere Entwicklung der EU debattieren. Dadurch kann das Selbstverständnis der EU als globaler Akteur sowie die Basis ihrer Legitimation gestärkt werden. Unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft wurden die Planungen für diese Konferenz vorangebracht, und die Grundlage für einen zeitnahen Start gelegt.

Im Außenverhältnis wird sich die EU 2021 mit dem  Verhältnis zu Großbritannien beschäftigen und eine neue Form der konstruktiven Partnerschaft ausgestalten – denn Großbritannien bleibt engster Partner und Freund bei Fragen der Werte, des Handels und gemeinsamer globaler und regionaler Interessen. Es stehen sowohl die Ratifikation und Umsetzung des Handels- und Partnerschaftsabkommens an, als auch die Zusammenarbeit in der in Fragen der Sicherheitspolitik

Bilateral wird die Bundesregierung  im Laufe des Jahres sich weiter dafür einsetzen, dass entsprechend des Beschlusses des Deutschen Bundestages ein Ort der Erinnerung an die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs und der Begegnung in Berlin entsteht.

Regionale Konflikte, Sicherheitspolitik und Abrüstung

Die globale Sicherheitsarchitektur wird 2021 ebenfalls im Fokus deutscher Außenpolitik stehen. Abrüstung ist und bleibt ein Kernanliegen für die Bundesregierung, verlässliche Regeln und internationale Vereinbarungen in diesem Bereich entscheidend. Es wird um die Verlängerung des New START Abkommens gehen sowie um die Beibehaltung des Vertrages über den Offenen Himmel.

Auch Nordafrika sowie der Nahe und Mittleren Osten werden 2021 Schwerpunkte deutscher Außenpolitik bleiben. Ob es gelingt, Spannungen abzubauen, wird ganz wesentlich von der Zukunft des Atomabkommens mit Iran (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPoA) abhängen. Deutschland wird sich gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien weiterhin für den Erhalt der Vereinbarung einsetzen, eine neue US-Regierung unter Joe Biden könnte bei diesem Thema eine neue Dynamik in den Prozess einbringen. Aber auch die Regionalkonflikte Syrien, Jemen, und Libyen sowie die Spannungen im Östlichen Mittelmeer bleiben angesichts der dahinter liegenden Regionalmachtrivalitäten und der schwierigen Rolle Russlands weiter im Fokus.

Der innerlibysche Friedensprozess geht in den Endspurt: am 24.12.2021 sollen gesamtlibysche Wahlen stattfinden. Bis dahin steht noch die Bestimmung einer Übergangsregierung, die Gruppierungen aus beiden Teilen des Landes beinhaltet, an. Die Bundesregierung wird den neuen UN-Sondergesandten Ján Kubiš bei dieser wichtigen Aufgabe weiter unterstützen. Ein weiterer zentraler Pfeiler des deutschen Engagements für Libyen: Die EU-Operation IRINI zur Überwachung der Einhaltung des Waffenembargos.

In Jemen dauern die Kampfhandlungen an, die humanitäre Krise verschärft sich. Deutschland unterstützt die Vereinten Nationen nach Kräften: Sowohl mit humanitärer Hilfe als auch politisch (Waffenstillstand und Wiederaufnahme des politischen Friedensprozesses).

Auch die Außenpolitik der Türkei und ihre Beziehungen zu Deutschland und der EU sind für die meisten Konflikte in der Region von großer Bedeutung. Im Östlichen Mittelmeer zeichnet sich – vor allem durch die ankündigte Wiederaufnahme direkter Gespräche zwischen Griechenland und der Türkei – eine leichte Entspannung ab, die Hoffnung auf eine konstruktivere Haltung der Türkei gibt.

Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen von Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Sudan und Marokko bietet neue Chancen für Diplomatie, auch für den Nahost-Friedensprozess. Deutschland bleibt bilateral und im Rahmen des so genannten Kleeblatt-Formats gemeinsam mit Frankreich, Ägypten und Jordanien engagiert, um die Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung zu erhalten und wo gewünscht einen Weg zurück zu direkten Gesprächen zwischen Israel und den Palästinensern zu unterstützen.

Partner und Interessen in Asien

Auch in Asien spielen Sicherheits- und Handelspolitik sowie der Einsatz für Menschenrecht und eine regelbasierte Ordnung 2021 eine zentrale Rolle für die Bundesregierung. Die inner-afghanischen Friedensverhandlungen wurde am 5.1. wieder aufgenommen, Deutschland unterstützt die Bemühungen für eine schnellstmögliche Waffenstillstandsvereinbarung. Im Lichte der weiteren Entwicklungen und im Zusammenspiel mit den NATO-Partnern wird im März über den weiteren Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan entschieden. Das deutsche Bundestagsmandat für den Einsatz deutscher Soldaten endet am 31.3.

Die regionale und globale Rolle Chinas  sowie das Spannungsverhältnis zwischen Partnerschaft und strategischer Rivalität wird auch 2021 ein Kernthema deutscher Außenpolitik sein. Nachdem die EU und China unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft Ende Dezember die Verhandlungen über ein umfassendes Investitionsabkommen im Grundsatz abgeschlossen haben, stehen nun im ersten Halbjahr 2021 deutsche Regierungskonsultationen mit China an. Dabei wird es um Wirtschaftsfragen, aber auch um Menschenrechte – zum Beispiel in Xinjiang und Hongkong – und die Einhaltung internationaler Regeln gehen. Auch mit Indien stehen im ersten Halbjahr 2021 Regierungskonsultationen an.

Deutschland wird im anstehenden Jahr weiter seine Aktivitäten im Indo-Pazifik Raum stärken. Unter anderem ist geplant, dass Deutschland sein sicherheitspolitisches Engagement in der Region sichtbar erhöht. Hierzu plant es beispielsweise dem regionalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Seeräuberei (ReCAAP) beizutreten.

Klimaschutz

Deutschland und die EU bleiben Vorreiter beim Klimaschutz. Mit dem unter deutscher Ratspräsidentschaft vereinbarten Ziel von 55% CO2-Reduktion bis 2030 sowie dem Fokus auf eine „green recovery“ bekennt sich Deutschland klar zur Nachhaltigkeit. 2021 wird vor allem im Zeichen der COP26, der UN-Klimakonferenz im November in Glasgow stehen, Leitfaden für Deutschland und die EU ist dabei der „European Green Deal“.

Stärkung des Multilateralismus und Engagement in Afrika

Mit dem von Joe Biden angekündigten „Globalen Gipfel für Demokratie“ hat Deutschland die Chance, an die „Allianz für den Multilateralismus“ anzuknüpfen. Es gibt viele Themen, bei der mehr Zusammenarbeit dringend geboten ist: Globale Gesundheit, Regulierung der globalen Datenökonomie, Rüstungskontrolle, Regulierung des Cyberraums und Handelsfragen. Auch hierauf wird ein Schwerpunkt deutscher Außenpolitik liegen. Zudem bleibt Deutschland bei den  Vereinten Nationen – zum Thema Frauen Frieden Sicherheit engagiert. Die Bundesrepublik hat gerade in die New York die Vize-Präsidentschaft im Executive Board von UN-Women übernommen und legt im Februar unter Federführung des Auswärtigen Amts einen Nationalen Aktionsplan vor, der das Thema Frauen, Frieden und Sicherheit innen- außenpolitisch noch weiter stärken soll.

Regional wird der Fokus dieses Jahr auch verstärkt auf der Zusammenarbeit mit Afrika liegen. Treffen auf Ebene der Außenminister sowie der Staats- und Regierungschefs zwischen der Europäischen und der Afrikanischen Union steht 2021 auf der Agenda. Auch bei UN-Friedensmissionen bleibt Deutschland besonders engagiert: Seit 1. Januar 2021 hat die UN-Mission zur Unterstützung des demokratischen Übergangs im Sudan (UNITAMS) ihre Arbeit aufgenommen, sie wird geleitet von dem Deutschen Volker Perthes. Zehn deutsche Polizeibeamtinnen und –beamte werden daran beteiligt sein. Zudem stehen die Verlängerungen mehrerer Mandate von internationalen Friedensmissionen und europäischen Einsätzen mit deutscher Beteiligung im Sahel durch den Bundestag im Frühsommer an. In dieser Schlüsselregion für regionalen Frieden und Sicherheit wird sich Deutschland auch weiterhin stark engagieren.

 

Bericht: Auswärtiges Amt

Bild: Symbolbild