Nachdem wir vor kurzem einen Offenen Brief zu derzeitigen Situation veröffentlicht hatten Offener Brief zum Staatsexamen 2020 gab es sehr viele Zuschriften an uns. Wir möchten ihnen nun einen Einzelfall aus Regensburg dazu vorstellen. Und dies ist nur Einer von vielen weiteren.
“Ich habe das Glück, weder zur Risikogruppe zu zählen noch durch die Coronakrise in eine finanzielle Notlage zu geraten. Zwar habe ich meinen Nebenjob in einem Sportverein und in der Gastronomie verloren, werde aber in dieser Zeit durch meinen Freund und meine Eltern finanziell unterstützt. Trotz dieser guten Voraussetzungen nehme ich die aktuelle Situation als sehr belastend wahr. Ein fünfjähriges Studium, dass durch zweimaliges Nichtbestehen dieser einen Prüfungen ohne Abschluss beendet wird, war dann umsonst! In der aktuellen Ausnahmesituation ist weder Chancengleichheit noch Fairness gegeben. “Wir hatten doch viel mehr Zeit zum lernen”. Mehr Zeit theoretisch ja, praktisch nein. Kein Datum, kein Ziel vor Augen, abgesagt kurz vor dem mentalen Höhepunkt. In dieser Ausnahmesituation machen wir uns alle Sorgen. Um unsere Familie, Freunde und die ganze Welt. Lerngruppen fehlen. Zugang zu Literatur fehlt. Die vertraute Lernumgebung fehlt. Das sind keine vergleichbaren Prüfungsumstände!
Ich zähle zu den Examenskandidaten, die bereits einen Teil ihrer Prüfungen absolvieren konnten. Die Examensprüfung in meinen Erweiterungsfach DaZ hat am 17. März einen Tag vor der offiziellen Aussetzung der Prüfungen stattgefunden. Am Tag der Prüfung war ich ziemlich erstaunt und erschrocken, dass weder auf die Einhaltung der Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln hingewiesen wurde noch haben die Aufsichtspersonen diese gegenüber den Studenten und weiteren Aufsichtspersonen eingehalten. Die Prüfung wurde durchgeführt als würde Corona und die damit verbundenen Maßnahmen gar nicht existieren. Umso erstaunter war ich, als am nächsten Tag die sofortige Aussetzung der Prüfungen verkündet wurde. Bereits die Tatsache, dass diese Nachricht erst am späten Nachmittag lediglich auf der Homepage des Kultusministeriums verkündet, wieder gelöscht, und eine Stunde später doch wieder veröffentlich wurde, hat mich sehr ärgerlich gestimmt und ich konnte mir in diesem Moment nicht vorstellen, wie enttäuschend diese Nachricht für die Examenskandidaten gewesen sein musste, die am nächsten Tag um 8 Uhr ihre Prüfungen geschrieben hätten und bis zur letzten Sekunde ihr komplette Kraft in das Lernen investiert hatten.Nach dieser Verkündung der Aussetzung der Prüfungen folgte ein sechswöchiges Schweigen seitens des Kultusministeriums. Wir wurden lediglich darauf hingewiesen, unsere Vorbereitungen fortzusetzen. Doch wie soll das motivational möglich sein, ohne ein Ziel vor Augen, ohne einen groben Termin, ohne die Gewissheit zum neuen Schuljahr ins Referendariat starten zu dürfen?
Wir haben alle mindestens ein Semester lang unsere komplette Kraft in das Lernen gesteckt, um bestmöglich vorbereitet die Prüfungen antreten zu können. Und jetzt sollen wir für einen unbestimmt langen Zeitraum alles bereits Gelernte im Kopf behalten? Unmöglich und nicht zumutbar! Diese sechs Wochen waren bei mir vor allem durch Unsicherheit, Antriebslosigkeit, Enttäuschung und Stress geprägt.
Mich hat besonders sie Tatsache belastet, ohne adäquate Literatur, meine Lerngruppe und ohne meine gewohnte Lernumgebung in der Bibliothek lernen zu müssen. Wir haben weder rechtzeitig von der Schließung der Bibliotheken erfahren noch haben wir jetzt die Möglichkeit als Examenskandidaten uns Literatur aus unserer jeweiligen Fachbibliothek ausleihen zu dürfen, welche die Grundlage jeder Beantwortung der Examensfragen bildet. Weiterhin wohne ich in einer 4er WG und kann dem ständigen Lärmpegel beim Lernen nicht umgehen. Meine Mitbewohner sind dauerhaft in der Wohnung, da ja auch sie aufgrund der Regeln, nur für wichtige Dinge das Haus verlassen dürfen. Täglich telefoniere ich mit meiner eigentlichen Lernpartnerin, die ihren Zweitversuch in einem Hauptfach schreiben muss und psychisch komplett ausgelastet ist. Sie hatte das Ziel, sich auf diesen letzten Versuch optimal vorzubereiten, welches aufgrund der aktuellen Situation einfach nicht umgesetzt werden kann.
Ich empfinde Wut und Verunsicherung, weil ich einfach nicht die Möglichkeit habe, mich so auf die Prüfungen vorbereiten zu können, wie es normalerweise notwendig ist. Das dies keine Beachtung seitens des Kultusministeriums findet und sich auch nicht um einen Lösungsvorschlag oder Entgegenkommen bemüht wird, macht mich wütend und traurig. Wir alle Lernen unser ganzes Studium, wie wichtig Motivation und Wertschätzung für das Lernen und das Erbringen von Leistungen ist. Wir werden darauf aufmerksam gemacht, dies unbedingt beim Unterrichten zu beachten. Allerdings verhält sich das Kultusministerium uns gegenüber nicht wertschätzend. Ich habe das Gefühl, dass wir ein Stück weit vergessen werden. Wir sind doch keine Lernmaschinen, die über den ursprünglich angesetzten Examenszeitraum beständig auf ungewisse Zeit weiter lernen können. Wäre es denn so schwer gewesen, einmal öffentlich zu schreiben: „Wir denken an euch! Wir vergessen euch nicht! Wir wollen eine optimale Lösung für alle finden! Wir schaffen das!“? Auch wir Examenskandidaten/innen brauchen Wertschätzung und wollen wahrgenommen und gehört werden”.
Lehramtsstudentin Gymnasium, 26 Jahre, Universität Regensburg